Söder-Postille

Wie nahezu alle Teilnehmer am Medienmarkt machte auch die Wochenzeitung „Die Zeit“ in der letzten Oktoberwoche, genauer in der Ausgabe vom 27. Oktober 2016, mit einem Luther-Thema auf. Waltraud Lewin ist dort mit einem Luther-Portrait vertreten, das leider einige historische Unzulänglichkeiten aufweist, und einige Prominente aus Politik, Kirche, Kultur, Wirtschaft, Journalismus und anderen einschlägigen Lebensbereichen wurden aufgefordert, möglichst knapp, um nicht zu sagen: thesenartig die Frage zu beantworten, was denn heute noch christlich sei. Und man wird nicht darauf kommen, wie viele meistens mehr und manchmal minder bekannte Menschen zum Mitmachen aufgefordert wurden bei diesem durchaus passenden Schwerpunkt des bürgerlichen Wohlfühl-Blatts – genau, es waren 95.

Das eigentlich Bemerkenswerte aber ist, dass es Markus Söder, ein bisher nicht als Luther-Experte in Erscheinung getretener Politiker aus Südostdeutschland, auf Platz 1 der Thesenliste geschafft hat. Man fühlt sich auf unangenehme Weise an Kinder aus der Schulzeit erinnert, die bei jeder noch so nebensächlichen Frage der Lehrerin immer als erste den Finger erhoben und sich zu Wort meldeten, begleitet von einem lautstarken „Ich! Ich! Ich!“. Als hätten nicht alle schon längst gemerkt, dass es um nichts anderes ging als um „Ich!“ Welche Zeitung man aufschlägt und welchen Fernsehsender man einschaltet, an „Ich!“-Markus Söder kommt man nicht vorbei.

Nun hat er sich auch an die erste Stelle der Luther-Deuter und Christentums-Verantwortlichen in der „Zeit“ gearbeitet. Und was ist seine Botschaft? Man solle wieder mehr auf Luther hören, ergo den Leuten aufs Maul schauen und deutsch mit ihnen reden. Ist nur die Frage, ob er da tatsächlich von Luther spricht oder eher seine eigene politische Agenda formuliert.

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