LuttaDada 4: Das Spezial für junge Leser

Liebe Kinderinnen und Kinder, werte Heranwachsende! Das LuttaDada will sich heute insbesondere an Euch wenden. Schließlich schielt der große Reformationsjubiläumsdadaismus auch in Eure Richtung. Und auch wenn Ihr Noch-nicht-Erwachsenen in Sachen Dada als praktische Lebensform die wahren Experten seid, muss das LuttaDada trotzdem einige sachdienliche Hinweise loswerden. Denn dort draußen gibt es Zeitgenossen, die geneigt sind, Euch mit Erwachsenenkram genau diesen Dadaismus auszutreiben.

So muss das LuttaDada mit Ingrimm feststellen, dass kindlich-jugendlicher Dadaismus von manchen politisch vereinnahmt werden will. Die deutsch-nationale Facette des politischen Spektrums hat sich bisher im Reformationsjubiläum ja eher zurückhaltend ausgenommen. Nun aber, da es mit dem Frühjahr in die heiße Phase des Jubiläumstamtams geht und nicht nur die Blümelein, sondern auch die Lutheralia aus allen erdenklichen Ecken sprießen, nun entdecken auch die Rechten dieses Thema für sich.

Die Zeitung „Junge Freiheit“ besitzt einen eigenen Buchdienst. Als einen der regelmäßigen Autoren kann das LuttaDada unschwer Karlheinz Weißmann ausmachen. Nun mögen sich die lieben Kleinen fragen, wer denn dieses Weißmann ist und ob man es kennen muss. Nein, man muss das Weißmann nicht kennen, es sei denn, man hat als heranwachsender Jungdadaist das zweifelhafte Vergnügen, in die Schule gehen zu müssen, in der dieses Weißmann als Lehrer für Geschichte und Religion angestellt ist. Ansonsten kann man darauf verzichten, die in Kreisen der Neuen Rechten durchaus prominente Figur näher kennenlernen zu wollen. Man darf sich der Unkenntnis der unter seinem Namen veröffentlichten Bücher rühmen, die so wohlklingende Titel tragen wie „Die Zeichen des Reiches. Symbole der Deutschen“, „Druiden, Goden, weise Frauen. Zurück zu Europas alten Göttern“, „Die Besiegten. Die Deutschen in der Stunde des Zusammenbruchs“, „Das Hakenkreuz. Symbol eines Jahrhunderts“ oder „Faschismus. Eine Klarstellung“. Liebe kindliche Freunde des LuttaDada, bedient Euch in Eurer reich bestückten Bibliothek lieber weiterhin aus sämtlichen Werken von „Das kleine Arschloch“, damit ist Eurer Charakterbildung eher gedient.

Sollte, liebe Prä- und aktiv Pubertierende, nun aber ein missliebiger Verwandter auf die Idee verfallen, Euch beispielsweise zu Ostern das neueste Werk von das Weißmann als schokoladenbefreites Kuckucksei ins Nest zu legen, dann seien Euch auf diesem Weg schon einmal einige Warnhinweise vor der Benutzung mit auf den Weg gegeben. Schließlich muss sich das LuttaDada in diesem Jahr des Jubiläumswahnsinns schon genug gefallen lassen, da braucht es nicht auch noch eine Darstellung für „junge Leser“, die uns den Reformator als „Propheten der Deutschen“ verkauft. Da kann das LuttaDada nur mit seinem alten Freund und Kupferstecher Giovanni Trappatoni ausrufen: Was erlaube Weißmann?! Nicht genug, dass Martin Luther auf dem Cover des Buchs mit einem hässlich ausgestreckten rechten Arm abgebildet ist, auch was man von den bildlichen Inhalten dieser Publikation erahnen kann, gemahnt an eine Mischung aus Geschichtsklitterung des 19. Jahrhunderts und Pegida. Da waren wir schon mal weiter, muss das LuttaDada feststellen!

Und dann noch diese Verlagsankündigung! Selbstverständlich muss dort als erstes erwähnt werden, dass der große Original-Martin die Bibel „ins Deutsche“ übersetzt habe. Außerdem sei er seinen Weg „entschlossen gegangen“, „unbekümmert um das, was andere Leute sagten“, und er „kämpfte unerschrocken für die Freiheit des Gewissens“. Das Fazit: „Luther ist ein großer Deutscher. Ein Nationalheld“.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die aktuelle inhaltliche Gestaltung dieses Jubiläumsdingsbums solchen Deutungen Vorschub leistet. Das LuttaDada muss schon seit geraumer Zeit mit Schrecken feststellen, dass es aus allen möglichen politischen Richtungen zum Zwecke der kollektiven Identitätsbildung vereinnahmt werden soll (Sprache-Freiheit-Neuzeit-Deutschland-Blabla). Daher, lieber führerscheinlose und nicht wahlberechtigte Ursprungsanarchisten, lasst es Euch gesagt sein: Weniger Vorsicht in der Porzellankiste, dafür mehr Obacht beim Versuch der Vereinnahmung von Vergangenem für gegenwärtige politische Zwecke. Egal von wem.

Das Weißmann treibt es da besonders bunt, auch wenn das LuttaDada nur einen oberflächlichen Eindruck von dieser Veröffentlichung gewinnen konnte – denn für dieses Buch auch nur einen Bruchteil der geforderten € 24,90 auszugeben, ist dann doch zu viel des Schlechten. Allein in der bereits inkriminierten Verlagsankündigung haben sich schon so viele wimmelbildartige Fehler versteckt, dass wenig Hoffnung auf eine echte Qualitätssteigerung im Buchinneren bleibt (von der politischen Ausrichtung einmal ganz zu schweigen …). Halten wir unter anderem fest: Luther ist keine Deutscher, es war höchstens mal ein Deutscher, und das auch zu Zeiten, als ‚das Deutsche‘ sicherlich etwas anderes meinte als heute. Deswegen konnte das LuttaDada auch kein ‚Nationalheld‘ sein in einer Zeit, in der es die Idee einer Nation noch gar nicht gegeben hatte (das sei dem Gymnasiallehrer für Geschichte einmal ins Hausaufgabenheft geschrieben). Schließlich hat man ‚die Nation‘ erst um 1800 erfunden. Und seither versuchen wir diese Idee krampfhaft wieder loszuwerden, weil sie sich für einige Millionen Menschen als eher wenig gesundheitsfördernd herausgestellt hat. Und zu guter Letzt: Auf dem Cover des Buchs reihen sich hinter dem hitlergrußartig erstarrten Luther verschiedene Vertreter des ‚deutschen Volkes‘ zu einem grimmig dreinblickenden Gruppenbild, darunter auch ‚wackere deutsche Bauern‘, die wohlmöglich gerade von ihrer ‚deutschen Scholle‘ aufgebrochen sind, um der wenig enthusiasmierten Leserschaft die Bundschuh-Fahne aus dem Bauernkrieg entgegenzurecken. Das LuttaDada will ja nicht schon wieder neunmalklug daherkommen, aber waren es nicht Martin Luther und dieser Bauernkrieger, die nicht so richtig miteinander konnten, und war es nicht dieser Luther, der so gänzlich unnational zur Abschlachtung dieser ‚Volksvertreter‘ aufrief? Ich frage ja nur mal …

Man könnte, liebe Demnächst-Vollwertmenschen, die ihr überall nur den halben Eintritt zahlen müssen, man könnte diese Geschichte natürlich auch ganz anders erzählen. Denn merke: Diesen dadaistischen Vorteil sollte man nie aus der Hand geben, dem vermeintlich Gegebenen immer eine hübsche Nase zu drehen! Man könnte also aus dem ‚Propheten der Deutschen‘ problemlos einen Multikukulti-Onkel machen, der sich redend und schreibend mit der ganzen Welt unterhielt, und zwar nicht auf Deutsch, sondern auf Latein. Man könnte betonen, was für eine internationale Universitätsstadt Wittenberg im 16. Jahrhundert war, dass dort Menschen aus allen möglichen Ländern hinkamen, um gemeinsam zu lernen und zu studieren, dass diese internationalen Gäste auch in dem Anwesen lebten, das Luthers Frau Katharina von Bora unterstand, oder dass es nicht wenige Glaubensflüchtlinge aus anderen Ländern gab, die in Wittenberg Schutz suchten und auch fanden. Luther als avantgardistischer Willkommenskulturvorreiter und Migrationsbeauftragter!

Ist aber nur so eine Idee, die, wenn auch nicht unrichtig, ihrerseits wieder einseitig wäre. Daher, liebe Nachwuchsprinzessinnen und Superheldenanwärter, die wichtigste Regel bleibt wohl, Euch nicht den einen Luther als den echten verkaufen zu lassen. Stattdessen: Immer schön nachfragen, den Vertretern in Sachen gesicherter Erkenntnis erstmal nix glauben und ihnen ab und zu ans Schienbein treten. Bleibt neugierig!

Lang lebe das LuttaDada!

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